Mentale Gesundheit: Männer leiden unbemerkt
30.10.2023 | Artikel
Für das „starke Geschlecht“ ist mentale Gesundheit häufig noch immer ein Tabuthema. Symptome von Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen zeigen sich bei Männern anders als bei Frauen. Wir geben Tipps, wie Sie einen gesunden Umgang mit Stress, Leistungsdruck und anderen Herausforderungen erlangen können, und zeigen, wo Sie Unterstützung finden.
Männer haben Schwierigkeiten, sich Unterstützung zu holen
Viele Männer haben eine eher funktionelle Beziehung zu Körper und Geist. Auf Männerschultern lastet häufig großer Leistungsdruck. Ihr Leben ist stark auf die Arbeit und das Funktionieren ausgerichtet, bis es eben nicht mehr geht – vor allem wenn sie Familienväter sind. Darunter leidet die physische und psychische Gesundheit der Männer.
Leistungsfähigkeit steht für sie über ihren Emotionen. So gelten Gefühle wie Angst und Unsicherheit traditionell als unmännlich. Wer Hilfe in Anspruch nimmt, erscheint als schwach oder als Versager. So haben Männer vielfach noch immer Schwierigkeiten, sich bei psychischen Problemen die passende Unterstützung zu holen.
Mentale Gesundheit: Bei Männern noch immer ein Tabuthema?
Das traditionelle Bild vom Mann ist etwas, das der Inanspruchnahme von Hilfe im Weg steht. Denn Eigenschaften wie rational, ehrgeizig, durchsetzungsfähig, abenteuer- und entscheidungsfreudig, aber auch aggressiv und unabhängig entsprechen dem männlichen Rollenstereotyp. Andererseits werden diese Merkmale auch mit psychischer Gesundheit in Verbindung gebracht. Über mentale Gesundheit zu reden, bleibt damit unter Männern tabu. Viele Männer unterdrücken oder ignorieren negative Gefühle, bis es nicht mehr anders geht. Den meisten Frauen fällt es hingegen leichter, über ihre Gefühle und persönliche Herausforderungen zu sprechen. Dadurch sind sie einfacher für eine Psychotherapie zu motivieren, wenn es ihnen nicht gut geht. Doch auch Männer, die an Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen leiden, profitieren vom Therapieangebot. Die Herausforderung besteht darin, Männer zum Besuch der Therapiesitzungen zu bewegen.
Ein modernes männliches Rollenbild täte aber den Männern gut. Die Rede ist von fürsorglicher Männlichkeit. Dabei teilen die Partner_innen die Betreuungspflichten und andere Verantwortlichkeiten gleichwertig untereinander auf. Solch ein fürsorglicher Mann (engl. „caring man“) lebt nachweislich gesünder und zufriedener. Ein wichtiger Bestandteil dabei ist: Verantwortung für die eigene Gesundheit übernehmen und die Mitverantwortung für die Gesundheit anderer zu stärken. Medizinische Hilfe oder Beratungsangebote wahrzunehmen, bedeutet dann kein Scheitern mehr, sondern ist eine starke, vernünftige Strategie für das Miteinander. So werden psychische Probleme mit den ersten Anzeichen angegangen und nicht erst, wenn eigentlich gar nichts mehr geht und man längst in eine Depression oder ein Burn-out gerutscht ist.
Depression zeigt sich bei Männern anders als bei Frauen
Rund 550.000 Menschen in Österreich haben eine ärztlich diagnostizierte Depression oder geben an, depressiv zu sein. Das ist etwa jede_r Zwölfte. Insgesamt sind mehr Frauen als Männer betroffen, aber Männer begehen häufiger Selbstmord. Das gilt besonders für junge Männer zwischen 15 und 30 Jahren. Fast jeder 3. Todesfall ist in dieser Altersgruppe auf Selbstmord zurückzuführen. Im Vergleich zu gleichaltrigen Frauen ist das Risiko bei jungen Männern 3 bis 4 Mal höher. Ein möglicher Grund: Depressionen werden bei Männern oft nicht oder zu spät erkannt. Das liegt unter anderem an unterschiedlichen Krankheitsbildern zwischen den Geschlechtern. Männer zeigen sich eher aggressiv als niedergeschlagen, eher reizbar als antriebslos. Und sie neigen zu ungesunden Bewältigungsstrategien, wie übermäßigem Alkoholkonsum, um mögliche Sorgen zu „ertränken“ – gerade so viel, dass man(n) im Alltag noch funktioniert.
Funktionieren bis zum Burn-out
Verhaltensweisen wie Gereiztheit, Schwierigkeiten bei der Impulskontrolle, Wutausbrüche und erhöhte Risikobereitschaft sowie Suchtverhalten sind als Hinweise auf eine Depression bisher nicht in den einschlägigen Diagnosekriterien zu finden. Dass aggressives und reizbares Verhalten nach wie vor weitestgehend als „normale“ männliche Emotionalität angesehen wird, ist mit ein Grund für die Unterdiagnose von Depressionen bei Männern. Eine weitere Bewältigungsstrategie bei psychischen Problemen, die mit dem Wunsch einhergeht, weiter zu funktionieren, ist das "Sich-in-die-Arbeit-Stürzen". Teilweise bis zur Erschöpfung oder bis zum Burn-out.
Dem gleichen Erfolgsdruck setzen sich viele Männer übrigens auch im Training aus. Dabei sollte Krafttraining oder Jogging eigentlich als Ausgleichssport dienen. Vom Stressabbau fehlt aber jede Spur, wenn man auch in diesem Bereich der Beste sein will und immer mehr Gewichte stemmen oder noch schneller laufen will.
Hormone und andere Einflussfaktoren
Ob und wie psychische Erkrankungen entstehen, wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Neben einer möglichen Veranlagung spielen psychologische, soziokulturelle und weitere Einflüsse von außen eine Rolle. Einsamkeit, fehlende Anerkennung und das Gefühl, nicht dazuzugehören, sowie wiederkehrender und andauernder Stress drücken auf das Gemüt, während ein stabiles, gesundes Arbeitsverhältnis ähnlich positiv wie eine stabile, zufriedene Beziehung auf die mentale Gesundheit wirkt. Im Umkehrschluss sind Trennung und Arbeitslosigkeit wichtige Risikofaktoren für eine Depression. Und weiter: Psychische Erkrankungen wie Depressionen erschweren die Arbeitsplatz- und Partnersuche. Leistungsdruck gibt es nicht nur in der Arbeitswelt oder im Sport. Versagensängste können auch im Schlafzimmer belastend wirken und zu sexuellen Funktionsstörungen beitragen. Dabei sollten gerade dort Innigkeit, Vertrautheit und Spaß, statt Leistung im Vordergrund stehen. Ein wichtiger Faktor dabei: das Sexualhormon Testosteron, das so viel mehr kann als nur für ein erfülltes Sexleben zu sorgen. Testosteron nimmt auch Einfluss auf Energie und Wohlbefinden sowie Muskelmasse und Stimmung. Ein ausreichend hoher Testosteronspiegel hat eine schützende Wirkung auf die Gefäße, was Herz-Kreislauf-Erkrankungen und einem zu hohen Blutdruck vorbeugt. Dank seiner unterstützenden Rolle im Fett- und Zuckerstoffwechsel, gilt das Hormon als vorbeugender Faktor gegen Diabetes.
Im Laufe des Lebens oder bei anhaltendem Stress nimmt jedoch die Testosteronproduktion des Körpers ab. Ein niedriger Testosteronwert wird mit verstärkter Müdigkeit, verminderter Leistungsfähigkeit, Potenzproblemen und einem erhöhtem Risiko für Osteoporose in Verbindung gebracht. Weicht der Testosteronwert vom Normwert ab, kann dies depressive Verstimmungen begünstigen – und umgekehrt: Die Stimmung sowie das Verhalten wirken sich auf den Testosteronspiegel aus. Ein Grund mehr, den Druck etwas herauszunehmen – beruflich wie privat.
Wo Männern geholfen wird
Über psychische oder sexuelle Probleme zu sprechen, ist noch immer schambehaftet. Und nicht jeder Mann hat einen Menschen, dem er sich anvertrauen kann oder möchte. Häufig sinkt die Hemmschwelle, über persönliche Herausforderungen zu sprechen mit anonymen Beratungsangeboten oder in einem professionellen Setting. Die Männerberatung lässt Sie mit Ihren Sorgen, Problemen und Fragen nicht allein. Ob Beziehungsprobleme, Arbeitslosigkeit, Sexualität oder Einsamkeit – die Beratungsstelle bietet psychologische, psychotherapeutische, soziale und juristische Unterstützung zu Themen, die Männer beschäftigen.
In Krisensituationen können Sie sich außerdem kostenlos, anonym, vertraulich und rund um die Uhr unter 0800 400 777 an die Männerinfo wenden. Inzwischen gibt es zahlreiche Hilfsangebote von und für Männer – sowohl online als auch vor Ort. Auf www.psyonline.at können Sie nach Psychotherapeut_innen in Ihrer Nähe suchen, die aktuell einen Platz freihaben.
Was Sie selbst für Ihre mentale Gesundheit tun können
Mehr für die eigene mentale Gesundheit zu tun, ist wichtig, sollte aber nicht zum nächsten Pflichtprogramm werden. Vielen Menschen fällt es leichter, einen spielerischen Zugang zu wählen. Das geht beispielsweise mit Gesundheits-Apps wie Generali Vitality. Wir bieten Ihnen in Kombination mit zahlreichen unserer Versicherungen die kostenlose App an, die Sie ganz einfach motiviert, für Ihr Wohlbefinden aktiv zu werden.
Vier weitere Tipps
- Aktive Entspannung: Nehmen Sie sich bewusst Zeit, einmal abzuschalten. Das geht zum Beispiel mit Entspannungsübungen wie autogenem Training, progressiver Muskelentspannung oder Yoga.
- Gesunde Ernährung: Schauen Sie auf sich und Ihren Teller. Eine ausgewogene, möglichst frische Ernährungsweise versorgt Körper und Geist mit allen wichtigen Nährstoffen. Und nicht vergessen: Das Auge isst bekanntlich mit. Wenn es richtig bunt auf dem Teller aussieht, hebt das auch die Stimmung.
- Familie und Freunde: Pflegen Sie die Verbindung zu den Menschen, die Ihnen am Herzen liegen. Soziale Kontakte sind wichtig. Sie helfen uns, Stress zu bewältigen und schenken unserem Leben mehr Freude.
- Engagement zeigen: Ein möglicher Weg aus der Isolation und einer sinnstiftenden Tätigkeit ist ehrenamtliches Engagement. Ob Kochen für Obdachlose, Computerhilfe für Senior_innen oder Ihr Know-how für den Jugendsportverein – anderen zu helfen, kann richtig erfüllend sein.