Ohne echte Verbindung: Einsamkeit im digitalen Zeitalter überwinden

18.11.2024 | Artikel

Immer mehr Burschen und junge Männer fühlen sich einsam – und das, obwohl es online so viele Möglichkeiten gibt, sich zu vernetzen. Doch Likes, Follower & Matches zu sammeln, kann keine echten Verbindungen ersetzen. Wir geben Tipps, um die Einsamkeit zu überwinden.

Online verbunden, aber offline einsam. So geht es vielen jungen Menschen. Dabei galten ältere Menschen lange Zeit als Hauptbetroffene von Einsamkeit. Krankheit und eingeschränkte Mobilität können zum Beispiel dazu führen, dass man im Alter mit Isolation zu kämpfen hat. Doch junge Menschen sind in der Regel fit und mobil. Trotzdem vereinsamen viele von ihnen, auch Burschen und junge Männer. Woran das liegt und wie sich die Einsamkeit überwinden lässt, lesen Sie hier.

Einsam im digitalen Zeitalter

Wenn man die Menschen in Österreich fragt, stimmen zwei Drittel der Aussage zu, dass Einsamkeit zunimmt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage der Caritas. Bei der mentalen Gesundheit gibt es deutliche Unterschiede zwischen Jung und Alt. Der Austrian Health Report zeigt: Obwohl körperliche Beschwerden mit dem Alter zunehmen, sind ältere Menschen mental gesünder als jüngere. 83 % der über 60-Jährigen fühlen sich mental sehr gesund oder zumindest gesund. Bei den unter 30-Jährigen sind es dagegen nur 54 %.

Jede_r fünfte junge Erwachsene fühlt sich stark vereinsamt, so eine Studie aus Deutschland von der Einsamkeitsforscherin Maike Luhmann. Dabei spielt es keine Rolle, ob man am Land oder in der Stadt lebt – Einsamkeit kann man überall verspüren. 

Die Großstadt ist zwar anonymer als eine eingeschworene Dorfgemeinschaft, bietet aber auch mehr Möglichkeiten, um mit anderen in Kontakt zu kommen. Am Land, wo jede_r jede_n kennt, ist es manchmal schwerer, Wege aus der Einsamkeit zu finden, etwa wenn man nicht weiß, an wen man sich wenden kann, um offen über Gefühle zu sprechen.

Zählt Einsamkeit zu den Depressionssymptomen bei Männern?

Vor allem Männern fällt es schwer, sich verletzlich zu zeigen und über persönliche Herausforderungen oder Gefühle zu sprechen. Das liegt auch an eingefahrenen Rollenbildern und der Vorstellung, Männer müssten immer funktionieren. So ist es für viele Burschen und Männer weiterhin tabu, über mentale Gesundheit zu sprechen. 

Viele Männer beißen so lange die Zähne zusammen, bis es nicht mehr geht. Oder sie greifen zu ungesunden Bewältigungsstrategien – und spülen ihre Sorgen regelmäßig mit Alkohol hinunter oder trainieren bis zum Übertraining. Andere stürzen sich in die Arbeit. 

Die Folge? Sie wirken schnell gereizt, sind oft wütend oder überehrgeizig. Schwierigkeiten bei der Impulskontrolle und Suchtverhalten können bei Männern auf eine Depression hindeuten, sind aber keine anerkannten Symptome laut einschlägigen Diagnosekriterien. Entscheidungsfreudig, aktiv und auch aggressiv zu sein, sind nach dem traditionellen Männerbild ganz „normale“ männliche Eigenschaften – mit ein Grund für die Unterdiagnose von Depressionen bei Männern

Warum Online-Verbindungen echte Kontakte nicht ersetzen können

Und wer sich als Mann heutzutage doch etwas von der Seele reden möchte, tut das häufig online – mit Nicknamen statt Klarnamen – ohne das Gesicht zu verlieren. Aber wer jetzt glaubt, die Anonymität im Netz könnte dabei helfen, Einsamkeit zu überwinden, wird vielleicht überrascht sein. Denn die Ergebnisse der Caritas-Umfrage zeichnen ein anderes Bild. Wenn es darum geht, sich weniger einsam zu fühlen, ist für zwei Drittel der Befragten ein gutes Telefonat hilfreich. Lediglich 52 % finden, dass soziale Medien die Einsamkeit verringern können. 

Likes und Kommentare sind schnell geschrieben, aber genauso schnell wischt man weiter zum nächsten Post. Der Austausch online dauert nur so lange, bis sich der Feed aktualisiert. Ein „Gefällt mir“ hier oder ein Kommentar da ersetzen nicht die emotionale Unterstützung, die ein Telefonat mit einer vertrauten Person oder ein persönliches Face-to-face-Gespräch bieten. Online fehlen die feinen Nuancen, die erst Tonlage und Mimik mitbringen. Wer nur tippt, riskiert Missverständnisse, die sich auch mit Emojis nicht ganz vermeiden lassen.

Hinzu kommen ungewollte Nebeneffekte von Social Media. Bevor man überhaupt likt oder kommentiert, wird erst einmal gescrollt. Wenn sich ein Reel ans nächste reiht, ist der Weg frei fürs Doomscrolling. Selbst wer nicht in den negativen Sog gezogen wird, hat nach dem Social-Media-Konsum mitunter mit Selbstzweifeln zu kämpfen. Das liegt daran, dass wir uns online unbewusst dauernd vergleichen. So bleiben die meisten „Freundschaften“ online doch nur flüchtige Netzwerkbekanntschaften. Man folgt vielen, aber fühlt wenig – zumindest wenig Positives. 

Einsame Männer trotz Matches

So ähnlich fühlt sich auch Online-Dating für viele Männer an. Da Männer auf Tinder & Co in Österreich deutlich in der Überzahl und die Ansprüche von Frauen hoch sind, müssen Männer viel mehr swipen als Frauen, bis sich ein Match ergibt. Auf den meisten Plattformen liegt es dann an ihm, den ersten Schritt zu machen – möglichst kreativ, sonst bleibt die Nachricht unbeantwortet. 

Einige Männer entwickeln deshalb geradezu eine Online-Dating-Fatigue. Und wenn es doch zum Match kommt, ist die Erwartungshaltung an das erste Date groß. Dadurch steigt der Druck. Online-Dating ist daher nicht die beliebteste Kennenlernmethode. Die meisten Paare haben sich in Österreich beim Ausgehen (23 %) oder im Freundeskreis (22 %) kennengelernt. Online-Dating belegt mit 20 % den dritten Platz.

In den USA zeichnet sich inzwischen ein Gegentrend ab. Immer mehr junge Menschen verzichten überhaupt auf Dating-Apps. Doch offline echte Verbindungen herzustellen ist gar nicht so einfach. Wie haben das eigentlich unsere Väter früher gemacht?

Was tun gegen Einsamkeit: Neue Kontakte offline knüpfen

Es lohnt sich, die Eltern nach der Kennenlerngeschichte zu fragen – um mehr über die eigene Familie zu erfahren und auch um den einen oder anderen Tipp zu bekommen. 

Die analoge Version der Dating-Apps waren anno dazumal Kontaktanzeigen. Und die waren ungefähr so beliebt wie Dating-Apps heute. Doch zum Spaß oder um Wettschulden einzulösen, wurde schon mal eine Annonce aufgegeben und manchmal war das Schreiben von Erfolg gekrönt. Das lag vielleicht auch an der geringen Erwartungshaltung. 

Viel schwieriger war es, wenn eine Zufallsbekanntschaft das Interesse geweckt hat. Man konnte allen Mut zusammennehmen und nach der Nummer fragen, doch bekam dann keine Handynummer, sondern eine Festnetznummer. Das dazugehörige Festnetztelefon stand manchmal noch im elterlichen Vorzimmer, sodass der eine oder andere peinliche Moment vorprogrammiert war, wenn man ins Gespräch kommen wollte.

Auch heute gibt es Möglichkeiten, offline neue Menschen kennenzulernen. Anders als bei Dating-Apps, wo das erste Treffen stets auch das erste Date ist, steht bei diesen Begegnungen nicht automatisch das romantische Interesse im Vordergrund. Das nimmt den Druck raus und erlaubt ein Kennenlernen auf Augenhöhe. 

Aber was tun gegen Einsamkeit, wenn man nicht unbedingt daten möchte? Wahre Freundschaften im echten Leben aufzubauen ist das Wichtigste – doch wie gelingt das am besten? 

Einsamkeit überwinden: Orte zum Anknüpfen

  • Neue Hobbys entdecken: Ob im Sprachkurs oder beim Sport – durch gemeinsame Interessen ergeben sich schnell Gesprächsthemen und eine echte Verbindung. Praktisch: Apps wie Meetup und auch die Plattform gegen Einsamkeit helfen dabei, passende Angebote vor Ort zu finden.
  • Im Freundeskreis umschauen: Manchmal liegen gute Freundschaften (oder mehr) so nahe. Und vielleicht gibt es Freund_innen, die dabei helfen, den ersten Schritt zu machen, wenn man auf jemanden zugehen möchte. So sitzt man zum Beispiel beim nächsten Spieleabend nebeneinander und kommt direkt ins Gespräch.
  • Alltägliche Begegnungen vertiefen: Vielleicht kennen Sie das: Man sieht sich tagtäglich und kommt öfter ins Gespräch. Wenn sich Bildungs- und Karrierewege kreuzen, kann auch daraus eine Freundschaft oder Partnerschaft erwachsen.

Gemeinsam die Zukunft gestalten

In der vernetzten digitalen Welt vereinsamen viele Menschen. Männer leiden im Stillen und fühlen sich vermehrt einsam. Ein möglicher Weg aus der Isolation besteht darin, das traditionelle Bild vom „harten Mann“ auf den Prüfstand zu stellen. Denn in der Partnerschaft sind heutzutage Männer gefragt, die emotional verfügbar und bereit sind, sich mitzuteilen. 

Wenn ein neues Männerbild entsteht, liegt darin auch eine Chance: Das vermeintlich „starke Geschlecht“ kann endlich einmal loslassen und Unterstützung annehmen – sei es durch Gespräche mit anderen oder eine Therapie. 

Wir finden: Es sollte kein Tabu sein, über mentale Gesundheit zu sprechen. Nur so können Männer den Mut finden, über ihre persönlichen Herausforderungen und Gefühle zu reden und aktiv etwas gegen Einsamkeit zu tun. Gemeinsam können wir eine Zukunft gestalten, in der alle die Unterstützung finden, die sie brauchen. 


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