Anna Buchegger: Über Herausforderungen, Songwriting und Ängste überwinden

18.04.2025 | Interview

In Kooperation mit der Generali Versicherung vergibt Matches Music in diesem Jahr das „The NOW is Female" Stipendium. Das Stipendium richtet sich an junge Frauen und FLINTA*-Personen (Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nicht-binäre, trans und agender Personen), die im Bereich Songwriting und Musikproduktion aktiv sind. Anna Buchegger, eine österreichische Jazz,- und Popkünstlerin unterstützt dabei die Fachjury als Juryvorsitzende.

Frage: Im letzten Interview mit uns meintest du, dass du Angst davor hattest, Neues auszuprobieren. Wie hat dir die Überwindung dieser Angst Freiheit gegeben und wie hat das deine Musik verändert?

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Ja, das stimmt - ich habe mir früher viel öfter Gedanken darüber gemacht, was andere über mich denken könnten.

Anna Buchegger, Jazz,- und Popkünstlerin


Ich wollte lieber den anderen gefallen als mir selbst. Aber irgendwann hab ich bemerkt, dass alles viel mehr Spaß macht, wenn ich es so mache, wie ich es am besten finde.

Das Überwinden meiner Angst hatte nichts damit zu tun, plötzlich komplett anders zu sein, sondern einfach ehrlicher mit mir selbst. Ich hab’ angefangen, Dinge zuzulassen, die ich vorher vielleicht weggeschoben hätte – dabei hat mich auf jeden Fall mein kreatives Umfeld unterstützt. Ich habe in den letzten Jahren, genau aus dem Grund, weil ich so viel ausprobiert und nach dem für mich Passenden gesucht habe, tolle Menschen kennengelernt, die jetzt Teil meines Teams sind. Die Angst, etwas auszuprobieren, konnte ich nur selbst wahrnehmen und reflektieren, weil ich mit diesen Menschen viel im Austausch war und dadurch eine sichere Vertrauensbasis entstanden ist.

Alle diese Bedingungen haben nicht nur meine Musik verändert, sondern auch mein Gefühl von Freiheit. Heute denke ich mir: Freiheit bedeutet für mich, Entscheidungen aus Neugier zu treffen, nicht aus Angst. Vielleicht ändert sich meine Bedeutung von Freiheit in Zukunft auch wieder. Und das ist wahrscheinlich auch ok, solange man dabei das macht, was man selbst für richtig und gut hält - das würde ich gerne auch jungen Musiker*innen mitgeben.

Frage: Du bist auch dieses Jahr Teil des Matches Music Songwriting Camps, das FLINTA*-Personen in der Musikbranche fördern möchte. Was ist deine Motivation und bedeutet es für dich, dabei zu sein?

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Ich finde es schön, wenn es einen Ort gibt, an dem wir Kunstschaffende gemeinsam kreativ sein können, uns aber auch über Sorgen und Herausforderungen, die mit dem Kunstschaffen einhergehen, austauschen können.

Anna Buchegger, Jazz,- und Popkünstlerin


Das Matches Music Camp schafft einen Ort, an dem man voneinander lernen, einander unterstützen, Ratschläge und Hilfestellungen bekommen oder auch einfach ein bisschen entspannen kann. Es geht nicht nur ums Songwriting, sondern ums gemeinsame Wachsen, ums Zuhören, ums Ausprobieren und auch ums Scheitern dürfen.

Gerade in einer Branche, in der so viel auf Konkurrenz und Außenwirkung ausgelegt ist, braucht es Räume, in denen Austausch ungezwungen stattfinden kann – ohne Leistungsdruck, ohne Bewertung. Orte, an denen man einfach offen ansprechen kann, womit man struggelt. So ein ehrlicher Austausch passiert nur, wenn das Umfeld sicher und offen ist.

Beim Camp entstehen echte Kooperationen, weil man sich auf Augenhöhe begegnen kann, das Ego hinten angestellt wird und man einfach loslegen kann, ohne lange darüber nachdenken zu müssen. Es steht alles zur Verfügung, es gibt die technischen Voraussetzungen und die notwendigen Rahmenbedingungen. Das ist auch etwas, das gerne vergessen wird: kreatives Arbeiten funktioniert erst, wenn die Infrastruktur dafür gegeben ist. In diesem Fall fällt dieser Stressfaktor weg.

Frage: Welche weiblichen Musikerinnen haben dich inspiriert? Gibt es da welche, die du besonders mit Empowerment verbindest?

Es gibt viele österreichische Musikerinnen, die mir sehr nahe stehen und mich begeistern und inspirieren. Beispielsweise AMS (Anna Maria Schnabl), Nnoa (Christina Kerschner), SoVie (Sophie Derntl), Lia Nell (Julia Rosenfellner), Sigrid Horn, Anja Om (Anja Obermayer), No:no (Vereonika Sterrer), Ivery (Verena Koppendorfer) und ganz ganz viele mehr.

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Wir sind alle auf unsere eigene Art unterwegs, aber ich spür da oft so eine stille Verbundenheit – weil wir wissen, was es heißt, sich als Frau oder FLINTA*-Person in der Musikbranche durchzusetzen.

Anna Buchegger, Jazz,- und Popkünstlerin


Empowerment verbinde ich vor allem mit Ina Regen. Sie ist für mich ein leuchtendes Beispiel dafür, wie man nicht nur für sich selbst kämpft, sondern auch Platz schafft für andere. Sie teilt ihre Bühne immer wieder mit Musikerinnen und wird nie müde, sich feministisch einzusetzen. Das finde ich unglaublich bewundernswert und stark.

Inspiration bedeutet für mich auch, zu sehen, wie andere Künstlerinnen ihren ganz eigenen Weg gehen – mit Ecken, mit Kanten, mit Haltung. Und genau das will ich weitergeben.

Frage: Welche Herausforderungen siehst du für Frauen in der Musikbranche und wie hilft das Stipendium, diese zu überwinden? Kannst du aus eigener Erfahrung sprechen?

Frauen/ FLINTA*s wird in der Musikbranche oft weniger zugetraut. Man wird nicht immer ernst genommen, manchmal sogar regelrecht belächelt – und das unabhängig davon, wie viel man schon geleistet hat. Was mich besonders stört: Dass Frauen/FLINTA*s immer noch viel zu oft gegeneinander ausgespielt werden, anstatt ihnen einfach den selben Raum zu geben wie ihren männlichen Kollegen.

Die patriarchalen Strukturen können wir mit einem einzigen Stipendium sicher nicht aushebeln – aber wir können konkrete Veränderungsprozesse in Gang setzen. Mit The NOW is Female schaffen wir eine finanzielle Basis, die jungen Musiker*innen fehlt: in einem professionellen Umfeld ungezwungen die ersten Schritte zu machen oder einfach für mentale Sicherheit. Mindestens genauso wichtig ist aber die Vernetzung.

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Das Camp bringt Menschen zusammen, die sich gegenseitig ernst nehmen, unterstützen und inspirieren. Dieses Gefühl von: „Ich bin nicht allein mit meinen Herausforderungen” – das ist unbezahlbar.

Anna Buchegger, Jazz,- und Popkünstlerin


Und ja, ich spreche da aus Erfahrung. Ich hätte mir einen solchen Raum früher oft gewünscht. Umso schöner, dass ich jetzt Teil davon sein darf und etwas zurückgeben kann.

Frage: Früher standest du vor der Jury, jetzt bist du ein Teil einer Jury. Wie bewertest du diesen Rollenwechsel in Bezug auf deine musikalische Entwicklung?

Teil der Jury beim The NOW is Female-Stipendium zu sein, ist für mich eine ganz besondere Rolle – und ehrlich gesagt auch eine sehr emotionale. Ich weiß genau, wie es sich anfühlt, selbst auf eine Chance zu hoffen, Herzblut reinzustecken und abzuwarten, bewertet zu werden.

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Jetzt in der Jury zu sitzen bedeutet für mich nicht, über jemand anderen zu urteilen – sondern mit offenen Ohren und offenem Herzen zuzuhören.

Anna Buchegger, Jazz,- und Popkünstlerin


Mir ist es extrem wichtig, ein Gefühl für die Menschen hinter der Musik zu bekommen: Was bewegt sie? Was möchten sie erzählen? Und wo brauchen sie vielleicht einfach nur den berühmten kleinen Schubs in die richtige Richtung?

Das The NOW is Female-Stipendium ist dabei so viel mehr als „nur“ ein Platz in einem Camp. Es ist ein Türöffner – für Sichtbarkeit, für kreative Entfaltung, für echte Verbindungen. Gerade für FLINTA*-Personen kann das einen riesigen Unterschied machen, weil es eben nicht nur um Talent geht, sondern auch um Zugang, um Netzwerke, um Räume, in denen man sich sicher fühlt. Dass ich jetzt helfen darf, genau so einen Raum mitzugestalten, bedeutet mir wahnsinnig viel.

Und auch in anderen Bereichen öffnet sich für mich gerade ein neues Kapitel: Im September 2025 darf ich erstmals die künstlerische Leitung für das bodenst@ndig Festival in Salzburg übernehmen – das fühlt sich  wie eine natürliche Erweiterung meiner musikalischen Reise an. Nicht nur auf der Bühne zu stehen, sondern auch im Hintergrund dafür zu sorgen, dass andere dort ihren Platz finden, ist für mich ein echtes Herzensprojekt.

Frage: Wie hast du in Zukunft vor, persönlich und musikalisch über dich hinauszuwachsen?

Ich glaube, über sich hinauszuwachsen hat oft gar nicht so viel mit ‘höher, schneller, weiter’ zu tun – sondern eher mit Tiefe. Ich möchte mich noch mehr trauen, auch unbequeme Themen in meiner Musik anzusprechen. Meine Stimme nicht nur als Instrument zu nutzen, sondern auch, um gesellschaftliche Haltung zu zeigen. Und gleichzeitig möchte ich nie aufhören zu lernen – musikalisch, menschlich, kreativ.

Was mich gerade unglaublich erfüllt: Ich freue mich riesig, schon bald mein zweites Studioalbum ankündigen zu dürfen! Einen kleinen Vorgeschmack gibt’s bereits – der Song „Draht“ ist im Rahmen der “Über sich hinauswachsen braucht Sicherheit”-Kampagne zu hören. Und im Mai erscheint endlich die erste offizielle Single.

Spoiler 1: Das Album erscheint am 3. Oktober 2025.
Spoiler 2: Am 17. Oktober feiern wir eine große Album-Release-Show im WUK in Wien!

Mehr darf ich leider noch nicht verraten … aber soviel ist klar: Ich freu’ mich auf alles, was kommt schon wieder riesig.

Musikalisch will ich mich auf dem neuen Album noch stärker öffnen und soundmäßig neue Wege gehen. Es gibt mehr elektronische Elemente, aber auch sehr intime, reduzierte Momente.

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Über sich hinauszuwachsen bedeutet für mich nicht nur, selbst mutiger zu werden, sondern auch andere beim Wachsen zu begleiten.

Anna Buchegger, Jazz,- und Popkünstlerin


Deshalb wünsche ich mir, langfristig noch mehr im Bereich Mentoring zu machen – vor allem für junge FLINTA*-Artists. Vielleicht entsteht daraus irgendwann eine eigene Plattform, ein Netzwerk … wer weiß?

Für den Moment bin ich einfach dankbar, diesen Weg gemeinsam mit Generali und Matches Music gehen zu dürfen – und voller Vorfreude!

Frage: Welche Ratschläge würdest du jungen, aufstrebenden Musikerinnen auf den Weg geben?

Ich glaube, das Wichtigste ist, einfach loszulegen – ohne sich zu sehr den Kopf zu zerbrechen. Natürlich ist das leichter gesagt als getan, aber oft halten uns genau diese Gedanken auf: Bin ich gut genug? Darf ich das? Was, wenn’s niemanden interessiert? Dabei beginnt alles mit dem ersten Schritt. Und den muss man einfach gehen – auch wenn er wackelig ist.

Was ich für mich gelernt habe: Etwas zu tun, nur weil man glaubt, man müsste es tun – weil es erwartet wird oder vielleicht besser ankommt – macht auf Dauer unglücklich. Die besten Songs, die stärksten Momente entstehen, wenn man ehrlich mit sich selbst ist.

Und ganz wichtig: Such dir Menschen, die dich ehrlich begleiten – die dich nicht nur feiern, sondern auch mal hinterfragen, auffangen oder dir Mut machen, wenn du selbst gerade zweifelst. Eine gute Community ist Gold wert. Deshalb bin ich auch so überzeugt vom The NOW is Female-Stipendium – weil genau solche Räume hier entstehen.

Über Anna Buchegger

Anna Buchegger ist eine österreichische Jazz- und Pop-Künstlerin, die bereits in jungen Jahren bei der Castingshow „Die große Chance" auftrat und 2021 die Talentshow „Starmania" gewann. 2024 wurde sie mit dem Hubert von Goisern Kulturpreis ausgezeichnet – eine Würdigung für ihren mutigen Schritt aus der Musikcastingwelt hin zu einer künstlerischen Selbstermächtigung. Sie ermutigt junge Menschen und FLINTA*-Personen, ihre Zukunft aktiv zu gestalten und die Chance zu nutzen.

Mehr Informationen zum "The NOW is Female" Stipendium & Matches Music:

https://www.generali.at/the-now-is-female/

https://matchesmusic.at/


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