Unterschiedliche Arten von Depressionen erkennen und verstehen

07.04.2025 | Artikel

Auf einmal wirkt alles grau: Eine Depression legt sich wie ein trister Filter über das Leben. Dinge, an denen man einst Freude hatte, machen plötzlich keinen Spaß mehr. Für Außenstehende ist eine Depression aber oft nicht sofort erkennbar – auch weil es unterschiedliche Arten von Depressionen gibt.

Ein gebrochener Arm ist – anders als eine Depression – offensichtlich. Ein Gips verrät sofort, dass etwas nicht stimmt. Wenn die Person ein Häferl im Regal nicht erreicht, geht man ihr wie selbstverständlich zur Hand. Wohl kaum käme jemand auf die Idee zu sagen: „Reiß dich mal zusammen“ oder „Du musst dich nur mehr strecken“.

Depression hat viele Gesichter

Menschen mit einer Depression leiden oft unbemerkt. Mag. Kathleen Holawe, eine Psychotherapeutin mit Ordinationen in Wien und Linz, sagt, Betroffene seien „oft weiterhin hochfunktional“ und „ kommen ihren Verpflichtungen nach“. Manchmal lächeln Betroffene sogar nach außen, während sie innerlich kämpfen. Eine solche atypische Depression, auch „Smiling Depression“, ist besonders schwer zu erkennen. Umso wichtiger ist es, die verschiedenen Arten und Anzeichen von Depressionen zu kennen. So fällt es leichter, eine vorübergehende depressive Verstimmung von einer echten Depression zu unterscheiden.

Symptome erkennen: Wann wird eine depressive Verstimmung zur Krankheit?

Während ein gebrochener Arm meist auf ein konkretes Ereignis zurückzuführen ist, z. B. ein Unfall im Skiurlaub, wirken bei Depressionen meist mehrere Faktoren zusammen.

Neben einer angeborenen Veranlagung und anderen biologischen Einflüssen kann auch ein einschneidendes Erlebnis oder „jede größere Lebensveränderung“ dazu führen, dass Menschen mit einer depressiven Episode „reagieren“, so Mag. Holawe.

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Und zwar weil dadurch mein Bild von mir selbst plötzlich oder allmählich anders ist. Der innere Steckbrief verändert sich.

Mag. Kathleen Holawe, Psychotherapeutin


Wann sollte man sich professionelle Hilfe holen? Laut Mag. Holawe wird es Zeit, wenn „ich nicht mehr die Person bin, die ich einmal war, und ich darunter leide, dass ich vielleicht nicht mehr richtig lachen kann oder mir auffällt, dass ich die Welt nicht mehr als grundsätzlich als schönen Ort empfinde, obwohl ich das früher größtenteils getan habe“.

Depression: Einteilung nach Schweregrad

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterscheidet in der ICD-10:

  1. leichte depressive Episode
  2. mittelgradige depressive Episode
  3. schwere depressive Episode

Entscheidend sind die Anzahl der auftretenden Haupt- und Zusatzsymptome sowie die Dauer der Verstimmtheit. Halten die Beschwerden 2 Wochen oder länger an, kann man von einer depressiven Episode sprechen.

Hauptsymptome:

  • anhaltend gedrückte Stimmung, oft begleitet von innerer Leere
  • Interessensverlust und Freudlosigkeit – selbst Aufmunterung durch andere hilft nicht
  • Antriebslosigkeit und anhaltende Müdigkeit, sodass selbst einfache Tätigkeiten schwerfallen

Zusatzsymptome:

  • Konzentrationsprobleme
  • geringes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
  • Schuldgefühle
  • Appetitveränderungen
  • Schlafstörungen
  • pessimistische Zukunftsperspektive
  • Suizidgedanken

Menschen gehen mit großen Veränderungen im Leben sehr individuell um. Auch wie eine Depression erlebt wird, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Fest steht: Nicht jede Phase schlechter Stimmung ist gleich eine Depression. Aber wenn die Symptome anhalten oder regelmäßig wiederkehren, kann eine ernsthafte psychische Erkrankung dahinterstecken.

Depressionen bei Kindern und Jugendlichen

Stimmungsschwankungen, emotionale Krisen und vorübergehende Launenhaftigkeit gehören zu den normalen Entwicklungserscheinungen und treten in der Pubertät gehäuft auf. Im Unterschied zu einer depressiven Episode sind solche Phasen aber nur von kurzer Dauer. Geht die Verstimmtheit bei Kindern und Jugendlichen nicht von alleine wieder weg, sollten Eltern und andere Bezugspersonen genauer hinsehen.

Vor allem bei jungen Menschen zeigen sich Depressionen aber nicht nur als Verstimmtheit. Dauernde Selbstzweifel und schnelles Aufgeben können ebenso ein Anzeichen für Depressionen sein. Auch körperliche Beschwerden wie Bauch- und Kopfschmerzen kommen vor. Generell wirken die betroffenen Kinder und Jugendlichen plötzlich verschlossener, zurückgezogener oder gereizter als zuvor. Sie haben kaum noch Lust, ihren Hobbys nachzugehen und die Noten werden schlechter. Hinzu kommen Schlafstörungen und ein veränderter Appetit. Manche Betroffene mögen nicht einmal mehr ihr Lieblingsessen. Andere futtern Selbstzweifel und andere Sorgen wortwörtlich in sich hinein.

Statt nachzubohren, was denn mit ihnen los sei, sollten Eltern geduldig bleiben und ihren Kindern die Möglichkeit geben, selbst zu erzählen. Sie können z. B. sagen: „Ich habe immer ein offenes Ohr für dich“ oder „Egal was ist, ich bin immer für dich da“.

Wie sich Depressionen bei Frauen und Männern unterscheiden

Sowohl Frauen als auch Männer berichten von einem „Gefühl von innerer Leere, Sinnlosigkeit, Erschöpfung, Energielosigkeit und Nüchternheit“. Wie Menschen diese Empfindungen nach außen hin zeigen, kann aber von Geschlecht zu Geschlecht unterschiedlich sein.

Männer leiden häufig unbemerkt an Depressionen. Mag. Holawe erklärt: „Männer wurden oft dazu erzogen, ‚schwache‘ Gefühle nicht zu zeigen oder nicht zu spüren.“ Deshalb wirken sie bei Depressionen manchmal eher aggressiv als niedergeschlagen, eher reizbar als antriebslos. Solche Reaktionen passen einfach besser zum traditionellen Männerbild. Frauen sind hingegen eher bereit, über Probleme zu sprechen. Das könnte mit ein Grund sein, warum es statistisch mehr Frauen mit Depressionen gibt als Männer.

Ein weiterer Faktor könnte aber auch biologischer Natur sein: Hormone sind nämlich echte Stimmungsmacher. Das gilt übrigens nicht nur für das sogenannte „Glückshormon“ Serotonin, sondern auch für die Geschlechtshormone Östrogen, Progesteron und Testosteron. Testosteron wirkt sich positiv auf die Stimmung aus. Wenn im Alter die Ausschüttung des Geschlechtshormons Testosteron abnimmt, leiden auch Männer häufiger an Depressionen. Und: Frauen leisten noch immer mehr (unbezahlte) Care-Arbeit. Das führt häufig zu mehr Mental Load bzw. zu einer generellen Mehrbelastung – auch ein Risikofaktor für Depressionen.

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In der Praxis sehe ich keinen wesentlichen Unterschied in der Symptomatik zwischen beiden Geschlechtern.

Mag. Kathleen Holawe, Psychotherapeutin


Verschiedene Arten von Depressionen im Fokus

Altersdepression

Eine Altersdepression wird oft nicht erkannt oder mit einer Demenz verwechselt, da Betroffene eher über körperliche Beschwerden klagen. Viele ziehen sich zurück und erleben dadurch kaum noch Positives. Ein Teufelskreislauf beginnt. Manche beginnen, vermehrt Alkohol zu trinken, was die Symptome verstärken kann.

Atypische Depression

Wenn Betroffene ihre Freudlosigkeit im Alltag überspielen und scheinbar normal „funktionieren“, spricht man von einer atypischen Depression oder „Smiling Depression“. Oft ahnen selbst enge Vertraute nichts von dem psychischen Leiden. Denn meist überkommt die Betroffenen erst am Abend eine starke innere Leere. Andere Anzeichen können Überempfindlichkeit gegenüber Kritik und Überessen sowie starke Schläfrigkeit sein.

Bipolare Depression

Wenn Menschen immer wieder zwischen Phasen mit extremen Hochs und Tiefs schwanken, nannte man sie früher oft „manisch-depressiv“. Der Begriff gilt inzwischen als überholt. Präziser ist der Begriff der „bipolaren Störung“. Die bipolare Depression gehört zum Krankheitsbild.

Dysthymie

Eine länger anhaltende depressive Verstimmung nennt man in der Fachsprache auch Dysthymie. Die Symptome sind schwächer ausgeprägt als bei einer Depression, halten aber dafür über Monate oder Jahre an. Betroffene können den Alltag oft nur unter starker Anstrengung bewältigen.

Perimenopausale Depression

Die Wechseljahre (Perimenopause) beginnen mit einem sich verändernden Hormonspiegel, was eine Reihe von Beschwerden mit sich bringen kann, einschließlich Stimmungsschwankungen. Betroffene müssen ihr „eigenes ‚Frausein‘ anders definieren“, so die Psychotherapeutin Mag. Kathleen Holawe. Eine Herausforderung, „gerade in einer Gesellschaft, in der Selbstoptimierung in Bezug auf Schönheit, Fruchtbarkeit, Erfolg etc. im Vordergrund steht“.

Unregelmäßige Monatsblutungen, plötzliche Hitzewallungen und Schlafstörungen – wenn nur mehr die körperlichen Beschwerden gesehen werden, „fühlt sich so manche Frau nicht mehr als Person gesehen“, führt Mag. Holawe aus, „sondern nur als Körper, der wieder in Schwung gebracht werden muss“.

Dabei ist es wichtig, den körperlichen Veränderungen mit Wohlwollen zu begegnen, um sie anzunehmen. Betroffene sollten fachärztlichen Rat einholen, ob eine Behandlung mit Psychopharmaka, eine Hormonersatztherapie oder eine Behandlung mit Pflanzenextrakten in ihrem Fall sinnvoll ist.

Prämenstruelle dysphorische Störung

Von PMS, dem prämenstruellem Syndrom, haben viele Menschen schon einmal gehört. Zu den überwiegend körperlichen Symptomen gehören Kopf- und Rückenschmerzen, Wasseransammlungen und Spannen in der Brust, aber auch Schlafprobleme und Stimmungsschwankungen häufen sich bei Betroffenen im Zeitraum rund um die Monatsblutung.

Wenn die Stimmungsschwankungen und Angstzustände in der zweiten Zyklushälfte besonders schwerwiegend sind, spricht man auch von der prämenstruellen dysphorischen Störung (PMDS).

Präpartale und postpartale Depression

Während der Schwangerschaft (präpartal) und nach der Entbindung (postpartal) kommt es zu hormonellen Schwankungen, die auch mit starken Stimmungsschwankungen einhergehen können. Viele Mütter müssen häufig weinen, sind müde und erschöpft. Der sogenannte Baby-Blues hat sie voll im Griff. Wenn die Beschwerden nach einigen Tagen nicht von selbst abklingen oder kaum auszuhalten sind, kann eine postpartale Depression dahinterstecken.

Die sogenannte Wochenbett-Depression wird häufig von starken Zweifeln und Scham begleitet. Die Frauen fragen sich, ob sie eine gute Mutter sein werden oder haben Schwierigkeiten, eine positive Bindung zu ihrem Baby aufzubauen, v. a. wenn die Entbindung schwierig war. Betroffenen fällt es oft schwer, darüber zu sprechen, was in ihnen vorgeht.

Rezidivierende Depression

Wenn Depressionen immer wiederkehren, spricht man von einer rezidivierenden Depression. Zwischen den depressiven Episoden liegen oft Monate oder Jahre ohne Symptome, bis die Verstimmtheit wieder auftritt.

Winterdepression (saisonal-affektive Störung)

In der kalten, dunklen Jahreszeit gerät bei vielen Menschen die innere Uhr aus dem Takt. Auch der Hormonhaushalt verändert sich: Der Körper schüttet mehr Melatonin aus, der Serotonin-Spiegel sinkt und im Winter fehlt Vitamin D.

Die Folge: Viele Menschen schlafen mehr oder haben weniger Energie als sonst. Die Stimmung ist gedrückt und man zieht sich lieber in die eigenen vier Wände zurück. Mit einer Lichttherapie kann man einer Winterdepression entgegenwirken.

Somatoforme Störung

Die somatoforme Störung war früher auch als larvierte, maskierte oder somatisierte Depression bekannt. Dabei fehlen typische psychische Symptome wie Betrübtheit, innere Leere und Freudlosigkeit. Stattdessen klagen die Betroffenen über Kopfschmerzen, Atembeschwerden und Magen-Darm-Probleme. Bevor die Betroffenen mit einer Behandlung beginnen, z. B. Psychotherapie, sollten sämtliche körperliche Beschwerden differenzialdiagnostisch abgeklärt werden, um auf Nummer sicher zu gehen. Es kann auch eine hypochondrische Störung vorliegen.

Fazit: Depressionen erkennen und ernst nehmen

Depressionen haben viele Gesichter und betreffen Menschen jeden Alters und Geschlechts. Es handelt sich nicht einfach um „schlechte Laune“. Wenn sich Menschen plötzlich zurückziehen, fahrig oder unausgeschlafen wirken oder mehr Alkohol trinken als früher, kann eine schwerwiegende Krankheit dahinterstecken. Für Betroffene ist es wichtig, Gehör und Unterstützung zu finden.

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Schwierig ist es, wenn Freund_innen und Angehörige Vorschläge machen, wie ‚Dann geh halt ein bisschen mehr raus‘.

Mag. Kathleen Holawe, Psychotherapeutin


Solche gut gemeinten Ratschläge können die Beschwerden, mit denen Betroffene zu kämpfen haben, verharmlosen. Außerdem trage es noch zusätzlich dazu, sich „falsch“ und „schwach“ zu fühlen, weil man es ohnehin gerade nicht schafft, Freude an den einfachsten Dingen zu empfinden oder einfach keine Energie hat. Wenn depressive Verstimmungen zu einer dauernden oder wiederkehrenden Belastung im Alltag werden, ist professionelle Hilfe notwendig. Wir unterstützen Sie dabei.

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Mag. Kathleen Holawe

Mag. Kathleen Holawe ist personzentrierte Psychotherapeutin in Wien und Linz. Mit einer Mischung aus Neugier und Empathie begleitet sie Personen auf ihrem Weg zum eigenen originalen Ich.

Mehr Infos zu Mag. Kathleen Holawe: https://www.psychotherapie-holawe.com


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